Observatorium 1000+

Kooperation mit der Hochschule Kempten

Die Sternwarte Kempten pflegt seit Jahren eine intensive Zusammenarbeit mit der Hochschule Kempten. Diese zeigt sich öffentlichkeitswirksam auf der Hochschulmesse am Stand mit Teleskopen zur Sonnenbeobachtung, bei gemeinsam veranstalteten Vorträgen an der Hochschule oder bei Sonderveranstaltungen zu besonderen Himmelsereignissen.


So lockten die Fernrohre des Vereins zur partiellen Sonnenfinsternis im März 2015 hunderte von Besuchern und ein Team des Bayerischen Fernsehens auf den Campus der Hochschule. Aber auch im Hintergrund gibt es viele gemeinsame Veranstaltungen. So freuen sich die Teilnehmer der Vorlesung „Astronomie“ darüber, dass sie neben der Theorie im Hörsaal auch praktische Himmelsbeobachtungen durchführen können, die ihnen die Mitglieder der Sternwarte Kempten mit ihren Teleskopen ermöglichen.
Mit dem Projekt Observatorium 1000+ ergaben sich bereits in der Planungsphase vielfältige neue Kooperationsmöglichkeiten. Unser Vereinsmitglied Thomas Eimüller, der als Professor Physik und Astronomie unterrichtet, fungiert dabei als Bindeglied zwischen Verein und Hochschule. Unter seiner Anleitung haben sich bisher 28 Studierende in Diplom- und Projektarbeiten mit der neuen Sternwarte beschäftigt.
Mit dem Observatorium 1000+ sind anspruchsvolle technische Aufgaben zu lösen. So soll eine netzunabhängige aber dennoch zuverlässige und kostengünstige Stromversorgung auf Basis regenerativer Energien entwickelt werden. Eine Projektgruppe aus dem Studiengang „Energie- und Umwelttechnik“ beschäftigte sich mit diesem Vorhaben, untersuchte den Energiebedarf der Sternwarte und welche Stromspeichertechnologien zu realisierbaren Lösungen führen.

Lastgang
Abb.1: Lastgang, d.h. Leistung über die Zeit, vor und während einer Beobachtungsnacht. Besonders energieintensiv ist die Klimatisierung des Kuppelgebäudes. Entnommen aus der der Projektarbeit: „Vergleich dezentraler Stromspeicher am Beispiel der Sternwarte ‚Observatorium 1.000+‘, Hochschule Kempten (2013)“

Eine Herausforderung stellt der Selbstbau eines 45 cm Spiegelteleskops dar, das in der neuen Sternwarte sowohl zu visuellen Beobachtung als auch zu fotografischen Zwecken eingesetzt werden soll. Insgesamt 24 Studierende aus dem Maschinenbau konstruierten in enger Absprache mit Gerätewart Andreas Doll und Prof. Thomas Eimüller dazu eine parallaktische Gabelmontierung mit einem offen Serrurier Gitterrohrtubus. Dabei mussten sich die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure mit modernen Materialien, wie Faserverbundwerkstoffe und Konzepten der Leichtbauweise beschäftigen. Sie waren ferner mit engen Platzverhältnissen und extremen Genauigkeitsanforderungen konfrontiert, welche sie oft an Grenzen führten. Am Ende konnten aber alle behaupten, dass sie bei der Projektarbeit viel gelernt hätten und sie konnten auf ihre Ergebnisse wirklich stolz sein.

Hinterer Teil des Teleskops
Abb. 2: Hinterer Teil des Teleskops, wo eine 18-Punkt Spiegelzelle den Hauptspiegel in Form hält. Der Tragkasten und die Gabel sind in Leichtbauweise konstruiert und bieten dennoch eine hohe Steifigkeit. Sichtbar ist ferner der Serrurier-Tubus. Entnommen aus der Projektarbeit „Teleskopmontierung II“, Hochschule Kempten (2016), Dank an Ramona Kuisel.

Die von den Studierenden berechnete und konstruierte 18-Punkt Spiegelzelle, welche den Hauptspiegel optimal unterstützt, hat unser Vereinsmitglied Andreas Steinhauser gleich in seinem Teleskop-Eigenbauprojekt aufgegriffen und Realität werden lassen, wie in Abb. 3 zu sehen ist.

Hauptspiegelzelle des Teleskops
Abb. 3: Die 18-Punkt Hauptspiegelzelle des von A. Steinhauser gebauten Teleskops beruht auf einem Design, das von Hochschulstudierenden entwickelt wurde, Foto: Andreas Steinhauser. Auf Bild klicken zum Vergrößern.

Der Wunsch im Führungsbetrieb keine ungünstigen Einblickwinkel in das Okular zu haben, führte nach verschiedenen schwer realisierbaren Ansätzen mit einem drehbarem oberen Tubusende schließlich zu einer Lösung mit zwei fixen Okularauszügen, die sich um 120° versetzt am Tubus befinden. Der Fangspiegel kann um die Teleskopachse rotiert werden, um wahlweise den einen oder den anderen Okularauszug zu bedienen, siehe Abb. 4.

Sekundärspiegel
Abb. 4 Sekundärspiegel mit dreh- und justierbarer Haltevorrichtung, die im Tubus mit Carbonfaser-Streben aufgehängt ist. Entnommen aus der Projektarbeit „Teleskopmontierung II“, Hochschule Kempten (2016), Dank an Patrick Heim und Florian Zoll. Auf Bild klicken zum Vergrößern.

Ein ambitioniertes Projekt ist die Planung und der Bau eines Facettenaugen-Forschungsteleskops. Derzeit befassen sich Studierende des Maschinenbaus in einer Projektarbeit damit, eine geeignete Tragstruktur zu entwickeln, die es gestattet, 10 kommerziell erhältliche 400 mm Canon Tele-Fotoobjektive f/2,8 IS II stabil zu einander zu montieren. Die Studierenden setzen dabei moderne 3D Simulationsprogramme ein, um etwa Durchbiegungen oder die Eigenfrequenzen des Aufbaus zu bestimmen und so ein optimales Design zu entwickeln. In einer weiteren Projektarbeit werden sich Studierende der Informatik um die Verarbeitung der anfallenden großen Datenmengen kümmern.

Die Sternwarte wird Studierende aus verschiedenen Studiengängen noch viele Semester lang beschäftigen. Dabei werden sich nicht nur Maschinenbaustudenten mit mechanischen Konstruktionen, Finite Elemente Simulationen und dem Bau von Komponenten befassen. Die Auslegung der Klimatisierung des Kuppelgebäudes ist neben der Energiegewinnung und Speicherung eine typische Aufgabenstellung für den Studiengang „Energie- und Umwelttechnik“. Studierende aus dem Tourismusbereich können sich hingegen mit dem Konzept „Feriensternwarte für das Allgäu“ und dem Führungsbetrieb der Volkssternwarte beschäftigen. Denkbar ist, dass engagierte und Astronomie begeisterte Studierende Führungen zu Zeiten anbieten, welche die berufstätigen Mitglieder des Vereins nicht abdecken können, z.B. Sonnenbeobachtungen für Schulklassen. Sinnvoll ist ferner eine enge Zusammenarbeit mit dem Schülerlabor der Hochschule, das bereits jetzt den Allgäuer Schulen astronomische Angebote (Vorträge, Sonnenbeobachtung) bietet.
Die Hochschule plant zudem Forschungsprojekte, wie das Studium von Exoplaneten über die Transitmethode oder die Abbildung sehr lichtschwacher Objekte, die Hinweise auf die rätselhafte Dunkle Materie geben können. Schließlich kann sich die Hochschule über den Bau wissenschaftlicher Geräte, z.B. eines Spektrometers, einbringen und so an der ständigen Weiterentwicklung der Sternwarte mitarbeiten.

Liste der Diplom- und Projektarbeiten zum Observatorium 1000+:

SoSe2013   Vergleich dezentraler Stromspeicher am Beispiel der Sternwarte „Observatorium 1000+“, Projektarbeit von 6 Studierenden der Energie- und Umwelttechnik, Betreuung: Prof. M. Finkenrath, Prof. Th. Eimüller
WiSe14/15Konstruktion einer Gabelmontierung in parallaktischer Aufstellung für ein Newton-Teleskop, Diplomarbeit, Ch. Blankenburg, Betreuung: Prof. Th. Eimüller
SoSe2015Teleskopmontierung I, Projektarbeit von 16 Studierenden des Maschinenbaus, Betreuung: Prof. Th. Eimüller, Beratung: A. Doll
SoSe2016Teleskopmontierung II, Projektarbeit von 9 Studierenden des Maschinenbaus, Betreuung: Prof. Th. Eimüller, Beratung: A. Doll
WiSe17/18Entwicklung einer Tragstruktur für das erste europäische Facettenaugen-Teleskop, 2 Studierende des Maschinenbaus, Betreuung: Prof. Th. Eimüller, Beratung: A. Doll